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Der große Sieg im Fernduell
1. Mai 2014, 12:09
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Es gibt sie wahrscheinlich zuhauf die besonderen Geschichten, die nur Fans erzählen können. Selten aber wurden und werden sie auch niedergeschrieben und festgehalten. Zum 100jährigen Jubiläum des Vereins schrieb Uli Glup seine Erinnerungen an die „legendäre“ Meisterschaft 1974 auf. Das schöne ist das es „seine“ Erinnerungen sind, die er mir dankenswerterweise erlaubt hat hier zu veröffentlichen. Der Text erschien 2005 erstmals in der Saarbrücker Zeitung. Wenn ihr also heute ein Bier aufmacht, denkt auch einmal an die Meistermannschaft von 1974.

Der große Sieg im Fernduell

1. Mai 1974: Im Ellenfeld gab’s vier Tore, im Ludwigspark einen Untergang mit Pauken und Trompeten. Zum 100-jährigen Bestehen von Borussia Neunkirchen, das an diesem Wochenende gefeiert wird, waren die Leser der Saarbrücker Zeitung aufgerufen, von außergewöhnlichen Erlebnissen mit dem Verein zu berichten. Auf dieser Seite sind deshalb persönliche Momente aus einem Jahrhundert Borussia zu lesen, es geht um dreiste Zwillinge, eine nasse Nacht auf dem Bahnhof, herzlose Ordner und tollkühne Wetten.

Neunkirchen. Es war ein milder Frühling im Jahre 1974, als die Borussia zu ihrer vielleicht überraschendsten Meisterschaft in der nunmehr 100-jährigen Vereinsgeschichte kommen sollte. Mit Miko, Rüdi und Klaus – wir waren knapp zehn – spielte ich sieben Tage die Woche Fußball. Dienstags und donnerstags stolperten wir mehr schlecht als recht – aber mit Begeisterung – in der E-Jugend der Borussia, an den übrigen Tagen malträtierten wir unseren geliebten holprigen und von Maulwurfshügeln übersäten Bolzplatz auf der Spieser Höhe. Es gab weder Play-Station noch X-Box und schon gar kein Kabelfernsehen. Fußball bestimmte unser Leben.

Wir waren am Ende unserer Grundschulzeit angelangt und wussten, dass sich unsere Wege trennen würden. Das tagtägliche „Fullen“ sollte zukünftig nur noch eingeschränkt möglich sein. Unser Lehrer Kurt Humbs aus Wiebelskirchen beobachtete unsere Hingabe für den Fußball mit einer Mischung aus Verwunderung und Ärger. In jedem Schulheft, auf jeder Schulbank und jedem Lederranzen fand sich das goldene „B“ des Vereinsemblems – ob gezeichnet, eingeritzt oder aufgenäht. Keine Pause verging ohne Gebolze auf dem Schulhof. Montag bis Mittwoch wurde zum Diskutieren des vergangenen Fußballwochenendes, Donnerstag und Freitag zum Einstimmen auf die kommenden Spiele genutzt.

Der letzte Spieltag einer an Spannung kaum zu überbietenden Saison in der Regionalliga West/Südwest nahte: Vor dem letzten Spieltag führte der 1. FC Saarbrücken vor unserer Borussia die Tabelle an, ein vermeintlich leichtes Heimspiel gegen den VfB Theley sollte dem FCS die Meisterschaft und die damit verbundene Qualifikation zur neu geschaffenen Zweiten Bundesliga Süd ebnen. Borussia, längst für die neue Liga qualifiziert, hatte es mit dem ASV Landau zu tun. Da kam uns der wagemutige Vorschlag unseres Lehrers gerade recht: Wer von den Schülern das richtige Ergebnis des Borussen-Spiels vorhersagt, sei von den Hausaufgaben befreit. Sollte er selbst richtig liegen, hätten wir die Aufgaben in zweifacher Ausfertigung vorzulegen. Kopiergeräte waren uns damals noch nicht bekannt.

Ohne Bedenkzeit prophezeiten wir ein 4:0 unserer Ellenfelder, während Kurt Humbs sich zu einem 1:0 durchringen konnte. Für die Meisterfeier im Ludwigspark war an diesem 1. Mai alles gerichtet, ein Sieg gegen Theley schien für den FCS nur noch Formsache. Ein Raunen ging durchs Ellenfeld, als die gut 7000 Besucher von der Theleyer Führung erfuhren. Torschütze Kayser genießt in Neunkirchen heute noch Kultstatus. Beflügelt durch diesen Zwischenstand spielte die Borussenelf dann groß auf, und Eichhorn, Bischoff, Henkes und Drenks ließen Borussia Meister und unseren Tipp torgenau in Erfüllung gehen. Eine Kopie der Sportseite der SZ hängt noch heute an meiner Wand. „Borussia ist Meister“, titelte Wilfried Burr, während Erich Philippi aus dem Ludwigspark über einen „Untergang mit Pauken und Trompeten“ berichtete.Den 1. Mai feiern wir noch heute in Erinnerung an unseren schönsten Borussen-Tag. Die Hausaufgaben haben wir übrigens doch gemacht.

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